Am 11. November 1537 eröffnete Markgraf Johann von Brandenburg offiziell den Baubeginn seiner Residenz. Jedoch bleibt der genaue Verlauf der Bauarbeiten der Festung zu seinen Lebzeiten zum größten Teil unbekannt. Der Markgraf wollte ursprünglich eine Festung aus Holz und Erde errichten, jedoch würden diese durch die regelmäßigen Hochwasser schnell zerstört werden, also beschloss er sie mit Mauerwerk zu befestigen. Sicherlich war in diesem Prozess das Jahr 1559 eine wichtige Zäsur, als man den italienischen Ingenieur Francesco Chiaramella di Gandino vor Ort zu Rate zog. Zwar kann es sein, dass mit dem Bau der modernen bastionären Befestigung schon früher begonnen wurde, doch erforderte eine gelungene Übertragung der neuen Ideen die Überwachung und Leitung eines erfahrenen Fachmannes. Der Umbau Küstrins in eine befestigte Residenz verband sich mit einer vollständigen Umorganisierung des Stadtplans sowie der Errichtung zahlreicher zusätzlicher Gebäude, die der Versorgung des Hofes und der Festung dienten (wie z. B. der Zeug- und Provianthäuser, eines Schirrhofes u. s. w.). Die Feste konnte erst in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts, schon nach dem Tode des Markgrafen (1571), fertiggestellt werden. Ab 1578 leitete ein weiterer Italiener, Rochus Graf zu Lynar, die Bauarbeiten. Die noch erhaltenen Bastionen König und Filip und auch die mit ihnen verbundenen Teile der Kurtinen (Wälle) sind höchstwahrscheinlich ihm zuzuschreiben. (Fot. P. Chara 2008)

Die Bastion König beherbergt aber, ähnlich einer Matrjoschka, Teile einiger Vorgängerbauten, deren ältester noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts entstehen könnte.

Über die Befestigung Küstrins entschied seine strategische Lage am Zusammenfluss der Oder und der Warthe, sowie der Schutz, den dem Ort die Natur bot. Ursprünglich erinnerte die Festung an eine Insel inmitten der sie umgebenden Gewässer und Sümpfe, die mit dem „Festland“ nur über Dämme und Brücken verbunden war. Küstrin war ein hervorragender Zufluchtsort und bot während des Dreißigjährigen Krieges vielen berühmten Persönlichkeiten Schutz, u.a. auch dem brandenburgischen Thronfolger Friedrich Wilhelm I., dem späteren Großen Kurfürsten.

Ab 1630 entstanden um den gemauerten Kern der Festung Außenwerke aus Erde – Ravelins und Kontergarden, das jenseitige Ende der Brücke wurde durch eine  Brückenkopfschanze gesichert. 1650 entstand der erste uns bekannte genaue Plan der Anlage, auf den sich auch eine der drei Illustrationen bezieht, die die Festung in der beliebten, 1652 von den Erben des Matthäus Merian d. Ä. herausgegeben „Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae“ zu finden ist.  Sie verzeichnet auch das Hornwerk auf dem Gorin, das gerade in diesem Zeitraum entstanden sein dürfte, sowie die Befestigungen, die zuvor den zur Brücke führenden Trakt sicherten und danach abgetragen worden sind.

1 - Bastion König, 2 - Bastion Königin, 3 - Bastion Kronprinz, 4 - Bastion Kronprinzessin, 5 -Bastion Philipp, A - Schloss, B - Pfarrkirche, C - kleine Kirche, D - Kirchhof, E -kurfürstlicher Garten, F - Markt, G - Zeughäuser, H - Kornböden [Speicher], I - Speckhaus [auch „Räucherhaus“ genannt], K - Werkhaus, L - Rossmühle, M - Kavaliere,  N -Schiffsmühlen, O - Das Lange-Damm-Tor [später Berliner Tor], P - Das Kurze-Damm-Tor [später Zorndorfer Tor], Q - Mühlenpforte, R - Kietzer Pforte, S - Oderbrücke, T -Brückenkopfschanze, U - Schirrhof [auch Wagenhäuser und Ställe], V - Langer Damm, W -Kurzer Damm, X - Kanzlei, Y - Schmiede beim Zeughaus, Z - Jägerhof.

Die dunkelgrau markierten Flächen benennen die ursprüngliche Reichweite der zur Festung und der fürstlichen Residenz gehörigen Bauten, die die Stadt eindeutig dominieren. Die schwarze Linie markiert den Teil der Festungsanlagen, der Chiaramella zugeschrieben und noch zu Lebzeiten des Markgrafen begonnen wurde. Sie wird von jenen Werken unterbrochen, die der Italiener höchstwahrscheinlich schon vor Ort fertiggestellt vorfand und einigermaßen umgestaltete, zumindest ihren Umbau einleitete. Aufgrund fehlender Hinweise sehen wir von einer Bestimmung ab, wann die Bastion Filip entstehen konnte. Die Benennung der einzelnen Werke wurde erst im 18. Jahrhundert festgelegt, deswegen ergänzen wir an dieser Stelle die ursprüngliche Legende um die Ziffer, die die einzelnen Bastionen bezeichnen.

Das beeindruckteste Werk der Festung war die Bastion Kronprinz, die mit einem zweistöckigen Kavalier versehen war. Die auf ihm konzentrierten Kampfstellungen ermöglichten die Konzentration von über einem Dutzend Geschützen zum frontalen Beschuss der Route auf dem Kurzen Damm, sowie ein Einwirken auf das Vorfeld der benachbarten Werke von insgesamt vier Stockwerken!

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat man die bestehenden Befestigungsanlagen nahezu permanent um- und ausgebaut, u. a. wurde die Bastion Brandenburg an der Oder errichtet und die einst gemauerten Brustwehre der älteren Festungswerke durch die erdenen ausgetauscht. Am Ende des Jahrhunderts bedeckte man die offenen Batterien in den Flanken der Bastionen (hinter charakteristischen „Ohren“) mit Gewölben und wandelte sie so in Kasematten um.

Seit der Jahrhundertwende vom 17. zum 18. Jahrhundert wurde die Anlage unter der Leitung der französischen Ingenieuren modernisiert. Man baute das Hornwerk und das Ravelin August Wilhelm (es ist erhalten und neben der Bastion Philipp zu sehen) aus und versah sie mit gemauerten Eskarpen. Darüber hinaus wurden zwei neue Ravelins errichtet und die ganze Anlage mit einer kunstvollen Kontregarde mit zahlreichen Redans umgeben. Das in unserem Museum ausgestellte Modell zeigt den ungefähren Zustand der Festung Mitte des 18. Jahrhunderts, als dieser Prozess gerade seinem Ende entgegenlief (Fot. VELIRO).

Bei der wachsenden Bedeutung und dem Ehrgeiz der Hohenzollern reichte die Modernisierung der Befestigungen allein nicht mehr aus. Sie brauchten ein ganzes System von Festungen, in denen große Mengen an Lebensmitteln,  Fourage und  Pulver gelagert werden können, durch die die in den einzelnen Provinzen operierenden Heere versorgt werden können. Die Lage Küstrins am Zusammenfluss zweier bedeutender Wasserwege sprach für die Erhaltung und Konservierung der Festung, die sich jedoch nicht sehr für die neue Funktion eignete: in ihren Mauern herrschte schon ein Gedränge. Während des Siebenjährigen Krieges versuchte man die Festung provisorisch zu erweitern, indem man um sie eine Reihe von Schanzen errichtete, die mit Verhauen verbunden waren. 1758 näherte sich der Festung eine russische Armee. Obwohl sie über keine Mittel verfügte, um eine solch gelegene Festung zu belagern, reichte schon ein improvisiertes Bombardement aus, um einen Brand zu entfachen, der die Stadt in Schutt und Asche legte. Die Befestigungen bliben davon unberührt und erwiderten in den darauf folgenden Tagen immer intensiver das russische Feuer, jedoch gingen sämtliche Magazine – wie alles innerhalb der Festung – in Rauch auf.

„Plan der Stadt und Vestung Cüstrin, nebst der Kayserl. Russich. Attaque und Bombardement, unter Commando des General von Fermor, durch welche den 22-ten Aug. A. 1758 die ganze Stadt in einen Steinhaufen verwandelt worden“. In der linken obigen Ecke: „Prospect der Stadt und Vestung Cüstrin gegen Mittag anzusehen wie solche in vollen Flammen stünde“.  Ein um 1760 von der Raspischen Buchhandlung in Nürnberg herausgegebener Kupferstich. Sammlung der Woiwodschafts- und Stadtbibliotkek in Gorzów Wlkp., Sign. KG537.

1806 war die Erinnerung an diese Katastrophe noch so frisch, um vor den ersten Einheiten der Armee Napoleons die Waffen zu strecken. Als 1813 die Franzosen die Festung zur Verteidigung vorbereiteten brannten sie die am linken Odeufer gelegenen lange Vorstadt und Kietz ab. Sie belebten auch einen Teil der Schanzen aus dem Siebenjährigen Krieg wieder und ergänzten sie um weitere Werke. Die internationale, ursprünglich etwa 4000 Mann starke napoleonische Garnison hielt in Küstrin einer nahezu einjährige Blockade aus. Jedoch ergab sie sich angesichts des untern den Truppen grassierenden Skorbuts schließlich den Preußen.

Ab 1815 baute man zur besseren Deckung des Überganges über die Oder auf dem linken Ufer ein neues Ensemble aus Befestigungen aus. Es bestand aus einer vergrößerten Brückenkopfschanze, zwei „Flügel-Lünetten“, sowie den sie mit der Schanze verbindenden Linien. Die Befestigungen entstanden an Stelle der von den Franzosen zerstörten Langen Vorstadt und Kietz. Der Wiederaufbau der Stadtteile am neuen, heutigen Standort wurde vom preußischen Kriegsministerium durchgesetzt.

Um die Festung steckte man die Rayons ab, deren Bewirtschaftung, vor allem die Bebauung strikten Regeln unterworfen war. Zu diesem Zeitpunkt legte man durch Küstrin die strategische Chaussee, die von Königsberg nach Aachen führte. Ab 1829 verband man die Festung mit dem ebenfalls zu dem Zeitpunkt befestigten Posen. Die Chaussee durchschnitt die Sümpfe der Warthe und lag folglich auf dem Damm. Zusammen mit dem Bau der neuen Verkehrswege modernisierte man in den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts etappenweise auch die „Enveloppen“ (eine „große“ um den Kern der Festung und eine „kleine“ um das Hornwerk), wobei man u. a. das neue Schützen-Ravelin absonderte. Hinter dem Odervorflutkanal wurde auch eine provisorische Brückenkopfschanze errichtet.

1857 durschnitt das Bereich der Festung die Ostbahn, an der anschließend der erste Bahnhof auf der Oderinsel entstand. Um für ihn Platz zu schaffen, riss man einen Teil der Brückenkopfschanze ab. Der Festungskern wurde nochmals geordnet und zum Teil modernisiert. Den Bereich des Bahnhofs hingegen umgab man ab 1861 mit eine Kette von neuen detachierten Werken - es entstanden dort Lünette B, C, D und der Waffenplatz F. Am Wiederlager der Eisenbahnbrücke über die Warthe wurde klein „Wacht–Kaponiere“ errichtet.

Charakteristische Bestandteile der Werke aus dieser Zeit waren Reduits, die das Innere eines Werkes mit Geschütz- und Gewehrfeuer (dünnere Pfeile) beherrschen konnten, selbst wenn der Feind schon eingedrungen war.

1864 begann man in der Kurzen Vorstadt mit dem Bau des großen Forts „Neues Werk“. Während des Krieges sollte er um eine Kette von provisorischen Werken ergänzt werden, die den umfangreichen Brückenkopf am rechten Ufer der Warthe abstecken würde. Ein Modell des nun nicht mehr existierenden Werkes kann man sich in unserer Ausstellung anschauen.

Ende der 1870 Jahre begann die letzte Modernisierung des Festungskerns, u. a. baute man die Tore um, die ihre heutige Form erhielten, verstärkte man die Brustewehre und errichtete auf den Wällen zahlreiche Traversen, darunter auch Hohltraversen, die als Unterstände für Geschütze dienen konnten. So sah auch noch 1945 die Bastion König aus.

Mit dem Fortschreiten der technischen Entwicklung schrumpfte der Kampfwert der innerhalb von drei Jahrhunderten gebauten Befestigungsanlagen sehr schnell. Der Magistrat bemühte sich nun um das Erlaubnis, wenigstens den Teil der Festung abzubrechen, was noch vor dem Ersten Welt Krieg mit dem Kriegsministerium abgesprochen war. In der Zwischenzeit entfernte man die Kurtine zwischen der Bastion König und der Bastion Brandenburg und verkaufte die Lünette C an einen Privateigentümer, der sie abzubauen begann.

Nach dem Ende des Krieges ebnete man Befestigung von der Bastion Königin bis Bastion Prinzessin ein, das neu gewonnene Gelände bedeckte dann stufenweise eine neue Stadtbebauung. Später wurde auch die rechte Flügellünette auf der Oderinsel abgetragen.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg trug man den größten Teil der Eskarpenmauer und der noch erhaltenen Hohlräume des Hornwerks und der Lünette C ab, auch die rechte Flügel-Lünette wurde bald eingeebnet. Später riss man schrittweise   auch das Fort Neues Werk in der Neustadt und zahlreiche kleinere Objekte ab. Die noch sichtbaren Reste der Festung gruppieren sich vor allem auf dem rechten Oderufer. Auf der Oderinsel ist außerdem noch die Lünette B erhalten, deren Gelände aber nicht betreten werden darf, da es sich in einem Schutzgebiet befindet. Hinter dem Odervorflut Kanal  kann man hingegen die Reste der Kehle der Lünette C, sowie die Umwallung und den Wassergraben der Lünette D sehen - beide Werken sind jetzt im Privatbesitz.

Die bis heute erhaltenen, derzeit als Denkmäler geschützte Bastionen, sind lediglich Überbleibsel der einst mächtigen Anlage. Nichtsdestotrotz – vor allem von der anderen Seite der Oder aus betrachtet – machen sie immer noch einen imposanten Eindruck…

Text und Zeichnungen: Marcin Wichrowski
Übersetzung aus dem Polnischen: Julia Bork